Pardubitz 2006

Die vier unerschrockenen Recken des Bannewitzer Schachvereins Seifert Brod (AKA Klaus Seifert), Peter Jeute, Fräulein Schiefnerova (AKA Ray Schiefner) und Thomas Porschberg wagten im Juli den motorisierten Ritt über den Kamm des Erzgebirges ins Böhmische.

Die Route führte über Aussig und Prag, um einige Kilometer vor Königgrätz nach Süden in Richtung Pardubitz abzudrehen, dem Zielort unserer Reise.

Peter Jeutes Auto fuhr leider sehr langsam, einmal weil es schon sehr alt ist und nicht viele Pferdestärken unter der Haube hat, zweitens weil Peter normalerweise in Deutschland immer mit Navigationsgerät fährt und nun unter brutalen tschechischen Outdoorverhältnissen sich noch der Orientierungssinn eines Laternenpfahls dem von Peter als überlegen erwies, drittens weil Peter sehr ängstlich ist, jedenfalls hat er Angst vor der tschechischen Verkehrspolizei, die sehr gern das Tempo 40 in der Ortschaft kontrolliert, und viertens ist Peter schon ziemlich alt, was man an seinem langen Bart erkennt.

Dies alles konnte nicht verhindern, dass wir unser Ziel erreichten und wir fanden sogar Unterschlupf in einem Studentenwohnheim, welches (n)ostalgische Gefühle aufkommen lassen konnte. Erwähnt werden muß hier der Fahrstuhl, in dem während der Fahrt die Wand an einem vorbeiglitt. Immerhin hatte dieses Wohnheim auch zwei Jugendclubs und eine Art Mini-Konsum mit Sitzgelegenheit im Keller, welcher schon am Morgen geöffnet hatte und den wir zum Frühstück besuchten.

Das Schachturnier selbst wurde im Mannschaftsmodus ausgetragen, wobei 4 Spieler eine Mannschaft bildeten. Es nahmen fast 90 Mannschaften teil, gespielt wurden 7 Runden (zwei Partien pro Tag) mit einer Bedenkzeit 90Min+30Sek.. Das Turnier war gut organisiert, was wohl auch daran liegt, dass es in die Czechtour eingbunden ist und somit genügend Turnierorganisationerfahrung vorliegt. Das Schöne am Turnier war, dass zahlreiche Nationen vertreten waren. Zwar spielte man naturgemäß hauptsächlich gegen Tschechen und Slowaken, aber auch Ukrainer, Russen, Polen, Schweden, Dänen oder Litauer konnten einen vor die Flinte laufen. Wir selbst starteten übrigens unter dem Namen "Reaktor Bannewitzka", was dazu führte, dass uns die Tschechen für Polen hielten und die Litauer ebenfalls rätselten. Die Perle des Turniers war zweifelsohne eine ukrainische Frauennmannschaft, die sich aus 4 Sub-Perlen zusammensetzte, die wiederum täglich bzw. sogar mehrfach täglich ihr Aussehen änderten, ohne an Gesamtbrillianz zu verlieren. Hier wurde das, was man mit dem Wort "Ensemble" beschreibt, in gelungener Weise zelebriert.

Apropos Ukraine: Sieger des Turniers wurde eine ukrainische Mannschaft, die durchweg mit Großmeistern besetzt war. Wir selbst rangierten letztendlich dort, wo wir laut Setzliste erwartet worden waren, im oberen Drittel der zweiten Hälfte der Teilnehmer. Bester Mann im Team war Fräulein Schiefnerova an Brett 1 mit 4.5 aus 7.

Schachspieler werden gemeinhin als zurückhaltend, ja teilweise introvertiert charakterisiert. Dies ist in vollem Umfang wahr, doch sind wir auch Ostdeutsche und als solche nicht mit einem ausufernden kapitalistischen Nachtclubleben großgeworden, wie es in der Bundesrepublik zur Ablenkung der Arbeiterklasse vom Klassenkampf etabliert wurde. Diese Erfahrung führte bereits während der langen Anfahrt zu dem Gedanken, unbedingt das Pardubitzer Nachtleben zu erforschen. Folgerichtig besuchten wir dann auch die gleich neben dem Spiellokal in einem Teil einer alten Schwimmhalle untergebrachte Nachtbar und fanden die gängigen Klischees bestätigt, also Kletterstangen auf einer Art Bühne, Fotos weiblicher Lokalmatadorinnen an den Wänden, geclonte Barkeeper mit weißen Oberhemden und Besucher aus den westlichen Bundesländern, die mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit kein Schach spielen konnten. Zur Ehrenrettung von Seifert Brod muss ich hier sagen, dass er der EINZIGE war, der vor Betreten der Nachtbar einen moralischen Appell formulierte und der auch während unseres Aufenthaltes den ethischen Pfahl im Sündenpfuhl markierte.

Was ist sonst noch zu berichten ?

Das Wetter spielte gut mit, so dass wir die Abende regelmäßig im Freien bei Bier und gutem tschechischen Essen verbringen konnten. In der Zeit zwischen den Runden konnte man sich gut die Beine in der Altstadt von Pardubitz vertreten. Leider reichte die Zeit nicht für die Besichtigung des Schlosses.

Marktplatz von Pardubitz

Thomas Porschberg, Seifert Brod, Fräulein Schiefnerova (von links)

Seifert Brod

Thomas Porschberg

viele tschechischen Studentenwohnheime werden auch als ABC-Waffenarsenale genutzt (vorbildlich !)

im Turniersaal

Seifert Brod

Peter Jeute

Fräulein Schiefnerova

das Schloss

das Spiellokal
       

Thomas Porschberg